Sonntag, 29. April 2012
Es war einmal ein...


...Kran. Dieser war sehr einsam. Die Winterwind nagte scharf an Ihm.
Jeden Morgen kam ein kleiner Vogel herbei und setzte sich auf sein Führerhaus. Denn dort war es warm, wenn die Sonne aufging. Dann waren sie beide für ein paar Minuten beisammen. Der Vogel und der Kran.
Nach dieser kurzen Zeit flog der Vogel davon. Aufgewärmt, der Morgensonne entgegen. Dies war immer die schwerste Zeit für den Kran. Denn er wollte auch fliegen, wollte die ganze Welt kennen lernen. Sein wo er wollte und nicht wo man ihn brauchte. Er wollte dorthin fahren, wo ganz viele Vögel sind. Er wollte dort sein, wo er nicht mehr alleine war. Die Nacht. Im Wind.

So ging es viele Tage. Der Vogel kam und ging. Der Kran stand wo er stehen sollte. Am fünfzehnten Tag schaute der Vogel den Kran ganz traurig an. Er hatte gefühlt und verstanden, was dem Kran so viel Leid brachte. Der Kran fühlte sich ebenso auf einmal verstanden und wäre er nicht fest dem Boden verbunden, hätte er vor Freude einen Satz gemacht.
Dann kam der nächste Morgen. Der Kran freute sich schon sehr auf den Vogel. Doch er kam nicht. Weder am Morgen, nicht am Mittag und auch nicht in der Abendsonne. Der Kran fühlte sich so allein, wie noch nie seit seiner Herstellung.
So ging das noch vier Tage. Der Kran war sehr traurig. Am fünften Tag wich die Trauer einer großen Wut. Wie konnte der Vogel nur erst so herzlich sein und dann so grausam?
Er nahm sich vor, sollte er den Vogel noch einmal zu sehen bekommen, mit seinem großen Arm nach ihm zu schlagen. So lange bis dieser tot am Boden liegen sollte. So ging es vier Tage.
Am zehnten Tag nach dem Fortbleiben des Vogels nahm der Kran die wärmende Morgensonne gar nicht mehr wahr.
Ungewöhnlicher Weise wich die Morgensonne einer unerklärlichen Dunkelheit. Der Kran bemerkte dies und dachte zu sich, dass nun alles verloren sei.
Doch die Dunkelheit kam näher. Und sie machte Lärm. Sie hörte sich an, wie ein komplettes Konzert vieler Tiere. Der Kran schaute auf und sah seinen Vogel an der Spitze von unzähligen Vögeln fliegen. Seine Wut verflog. Seine Trauer war weg. Er strahlte in der nun wieder sichtbaren Morgensonne. Die Vögelschar machte sich daran, den Kran zu krallen. Unmengen von Vögeln zogen an seinem Arm und seinem Turm.
Noch bevor der Mittag kam, war der Kran aus seiner Verankerung gerissen und die tausenden Vögel hatten es geschafft. Nun konnte der Kran mit Hilfe seiner neuen Freunde fliegen. Die Welt kennen lernen und sein wo er wollte und nicht wo er sollte. Er war nun ein freier Kran mit vielen Freunden und er war nie mehr einsam.
Solltest Du einmal einen Vogelschwarm sehen, denke daran, wenn Du genau hin schaust, kann es sein, dass Du einen Kran siehst. Ein Kran auf dem jeden morgen ein kleiner Vogel in der Sonne sitzt...

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Ich finde die Geschichte toll. Einfühlsam und mit notwendigen Wendungen.

Sie passt gerade zu einem Thema Erwartung, dass ich mit anderen Bloggern diskutiert habe.

Vielen Dank alsdann

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Die Geschichte ist wirklich toll und vor allem super geschrieben!!

@ alsdann Danke für den Link, es war schön dies hier zu lesen. Und ja, das mit den Erwartungen ist immer so eine Sache! :)

LG

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... ich bin überrascht! Mit Resonanz zu meiner kleinen Geschichte habe ich nicht gerechnet. Nun überlege ich ernsthaft, mit kleinen Geschichten/Märchen weiter zu machen... mal sehen.

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Das ist schön, wenn eine Überraschung gelingt. Bei mir stehst Du nun auf der Abo-Liste. Ich wünsche einen schönen Abend - alsdann

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